Auf Wiedersehen Gerhard

Gerhard Otterbeins riesengroßes Herz passte gerade so in seinen Körper.
Platz darin fanden alle, die er lieb gewonnen und zu schätzen gelernt hatte, die vielen Projekte, für die er brannte, und alle großen und kleinen Geschichten seines bewegten Lebens.
Dass Gerhard die hohe Kunst verstand, allem noch so tiefen Leid beherzt mit gezücktem Kugelschreiber entgegenzutreten, habe ich in den Jahren enger Zusammenarbeit seit 2011 erfahren.
Gerhard konnte Schatten in Licht verwandeln, über sich selbst lachen, andere mit unverwüstlicher Fröhlichkeit und Empathie anstecken. Immer und immer wieder: Gerhard fiel, Gerhard litt, Gerhard stand auf – um Zeile für Zeile die Wolken beiseite zu schreiben, bis die Sonne gar nicht anders konnte als wieder zu scheinen.

Dem nicht neu erfundenen, aber zurück in die Zeit gerufenen Lauterbacher Strolch hat er liebevoll in den Wanderrucksack gesteckt, was ihn selbst ausgemacht hat: die Einsicht, dass die Welt niemals stehen bleibt. Die Kraft, immer ein Stück weiter zu gehen, dem Leben entgegen. Den Mut, Seele zu zeigen. Die Energie, streitbar zu bleiben in eigener und anderer Sache. Und die Gelassenheit, den unwiederbringlichen Verlust einzelner Socken hinzunehmen.

Im Zeichen unseres Strolches zu kochen, Musik zu machen, Menschen zusammenzubringen und Verbindungen zu knüpfen war unsere gemeinsame

Herzensangelegenheit: nichts Spannenderes, als auf gemeinsamer Ideensuche durchs Land zu strolchen. Die vielen Begegnungen unserer gemeinsam  zurückgelegten Strecke werde ich niemals vergessen – und bin unendlich dankbar für so viel dicke Freundschaft, wenn auch die durch Gerhards frühen Tod entstandene Lücke kaum größer sein könnte.

 

Am 17. Januar 2020 ist Gerhard Otterbein nach langer Krankheit gestorben.
Er war als freier Journalist und Mitarbeiter vor allem für den Lauterbacher Anzeiger, das „Künstler-Magazin“, „Auf dem Vulkan“, den „Marktkorb“ und die „OZ-Extra“ im Einsatz.
Darüber hinaus war er überall dort zu finden, wo seine schriftstellerische Arbeit zur Passion geworden war: unter anderem begleitete er Gerlinde Becker und ihre inzwischen zur festen kulturellen Größe gewordene Reihe „Der Vulkan lässt lesen“.
Seiner geliebten Frau Maria, seiner Schwester und seinen beiden Nichten, die mit ihrer Familie in Polen leben, gilt mein Mitgefühl. Die Erinnerung an eine wunderbare Zeit mit diesem besonderen Menschen wird bleiben.

 

Als ob so ein Strolch nicht die Angewohnheit hätte, einem zu anderer Zeit an anderem Ort unversehens über den Weg zu laufen, Pläne und Schnitzelbrötchen im Gepäck. Und viele neue Geschichten.

Ute Kirst