Begegnungen über den Tellerrand hinaus

Syrer kochten in der Vogelsbergschule und machten Bekanntschaft mit dem Strolch

Freundschaft fängt oft mit einer Einladung und einem guten Essen an. Bereits bestehende Freundschaft kann durch ein gutes Essen weiter vertieft werden. Das zeigte sich in der Vogelsbergschule Lauterbach, wo 11 syrische Menschen für ihre deutschen Freunde und Bekannte kochten. „Mglube“ (Reiseintopf mit Hackfleisch) „Shawarma“ (Döner Arabisch)  „Kunafa“ und „Harissa“ (orientalische Süßspeise) lautete nur ein Teil des Festmahls. Die syrische Küche ist reichhaltig, schmackhaft und pikant und wird als die beste Küche im Vorderen Orient angepriesen. Das entspricht der Wahrheit, denn aus dem fremd klingenden Namen wurde eine Geschmacksexplosion auf der Zunge. Allein die Luft in der Küche war geschwängert vom Duft orientalischer Gewürze. Allein der festliche Eintopf, welchen Raida Mardeni mit Hilfe ihrer Tochter Ragad zubereitete, würde jedes Restaurant bereichern. Der Schützling von Ursula Dietrich war die erfahrenste Frau am Herd. Kajen Abas aus Wallenrod bedauerte, dass sie nur assistieren durfte, da ihre Teilnahme spontan kam, war kein weiteres Gericht eingeplant. Sie und ihr Mann haben in Wallenrod schon Anschluss gefunden. „Kajen ist eine sehr gute Köchin“, bestätigte ihre Begleitung Marion Horstmeyer.

Die Begegnung überm Tellerrand brachte sieben verschiedene Gerichte hervor. Nebenbei wurde mit einem Gerücht -orientalische Männer nehmen keinen Kochlöffel in die Hand und warten bis die Speisen aufgetragen werden- aufgeräumt. Ibraham Hamdan, Abdulla Awad, Ahmad Benshi, Taha Hassun, Alsati Rami, Nihad Houssen, Assem Al-Zarzour und Mohamad Hassoun arbeiteten in der Küche wie die Profis. Außer Nihad (Pâtissier) hatte keiner berufliche Küchenerfahrung. Ferner überzeugten ihre Gastgeberqualitäten durch ihre ausgeprägte Zuvorkommenheit.

„Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“, schmunzelt Mohamad auf die Frage, warum sie so ausgezeichnet Kochen können. „Wir sind fast alle unverheiratet und wenn, wir nicht verhungern wollen, mussten wir es lernen.“ Marie-Christine Fragnon und Georg Schmidt-Fragnon bestätigten mit viel Freude in der Stimme, dass ihre syrischen Freunde wissbegierig seien und rasch dazulernten. Das wurde bei der Sprache deutlich. Die meisten sprachen ein so gutes Deutsch, sodass die Kommunikation quasi problemfrei vonstatten ging.

Es war nicht das erste Mal, dass Schulleiter Holger Arnold und Fachbereichslehrer Bernd Vogel die Tür zur Lehrküche öffneten. „Völkerverbindende Kochprojekten stehen unsere Türen immer offen. Außerdem ist Integration fördern ein wichtiger

Aspekt und gehört zu unserer täglichen Arbeit an der Schule“, fügte Holger Arnold an. Bernd Vogel lobte die Motivation und Freude, wie die syrischen Gastköchinnen und -köche zur Sache gingen. Die Sache mit dem Reis räuchern (glühende Holzkohle in Alufolie im Topf) war sogar neu für den Kochlehrer. Ansonsten musste er so gut wie nie eingreifen. Lediglich half er beim Auffinden von Küchenwerkzeug. Sein Fazit: Geschmackvolle Küche, angenehme, gebildete Menschen – jeder Einzelne wäre eine Bereicherung für unsere Gesellschaft.“

Das Hauptrezept –man nehme eine Prise Heimat, verteile sie in Pfannen und Töpfe und verspeist die Ergebnisse mit Freunden- stammt von Eckhard Scheibel aus Lauterbach. Die Idee, „Kochen mit Flüchtlingen“, kam ihm bei dem Gedanke an das bevorstehende „Bürgermahl“, welches am Samstag, dem 9. Juli, ab 18 Uhr, stattfinden wird. „Gemeinsames Essen gilt in allen Teilen der Welt als wichtige Säule der Kommunikation. Das gemeinsam Erlebte baut Brücken, Verständigungsprobleme treten in den Hintergrund“, erklärte er seine Betrachtungsweise. Er setzte alle Hebel in Bewegung. Mit der Unterstützung der „Flüchtlingsinitiative und seines Vereins „Mobile – Familien in Lauterbach“ trat er an Ute Kirst heran. Die Initiatorin der Reihe „Strolch-am-Herd“ war gleich begeistert. Das Konzept passte zu den Kochgeschichten auf ihre Internetseite (www.lauterbacher-strolch.com), weil ihr Strolch nicht nur für Tradition, sondern auch für Toleranz, Offenheit und Neugier steht. Sie ist überzeugt, unbekannte kulinarische Genüsse, aus allen Teilen der Welt, erweitern nicht nur den geschmacklichen Horizont von Kunstfiguren. „Von allen Kochgeschichten war das eine der Symbolträchtigsten im Namen des Strolchs.“ Auch sie sparte nicht mit lobenden Worten zum Schluss. Für sie war es nicht nur ein Kochevent. „Aus einem simplen Nachmittag wurden vier schöne Stunden, wobei Spaß und Sympathie im Vordergrund stand.“ Deswegen ist es nicht nur für Ute Kirst schwer zu verstehen, wenn ein kalter Gegenwind durch Deutschlands Straßen zieht. „Wer in Not ist, dem muss geholfen werden.“ Fakt ist: Diese Menschen, die kürzlich dem Krieg entkamen, sich irgendwo in Deutschland wiederfanden, die Strolchschürze anzogen, um mit so viel Herzblut ihren Willen zur Integration zu untermauern, dass sollte nicht nur den Strolch und die Anwesenden beeindruckt haben! Und damit sich auch andere Lauterbacher davon ein Bild machen können, wünscht sich Eckhard Scheibel viele dieser Neubürger an der Tafel zum Bürgermahl.

Gerhard Otterbein

 

Presse   Stroch-am-Herd-Schürze

Begegnungen über den Tellerrand hinaus
2016-04-26_Lauterbacher Anzeiger_Seite_1[...]
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Begegnungen über den Tellerrand hinaus  Schlitzer Bote
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Orient in Vogelsberger Töpfen
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