Das Schweigen der Lammkoteletts

Zwei Lauterbacher Buchhändlerinnen als literarisches Strolch-Koch-Duett

LAUTERBACH. „Wir kochen für den MK, weil wir so eine tolle „Strolche-am-Herd-Schürze“ haben wollen“, lächelte Claudia Götz-Walk verschmitzt und Gerlinde Becker pflichtete ihr kopfnickend bei. Beide sind Inhaberinnen eines Buchladens in Lauterbach, eigentlich „Konkurrentinnen“. Doch in der Stadt der Strolche hat Neid und Missgunst nichts verloren. „Uns macht nur der Internethandel das Leben schwer!“, sind beide auf einer Welle und gönnen sich gegenseitig die Butter auf dem Brot. Möchten auch mit ihrem gemeinsamen Auftritt am Herd ein Signal setzen. Die Frage (Gibt es ein Rezept gegen Internetversandriesen?) reizt. „Amazon, nennen wir das Kind beim Namen, wird leider immer mächtiger. Diese Macht spüren momentan Verleger und Mitarbeiter. Nicht auszudenken, was den Kunden erwartet, wenn der Konzern den Buchmarkt im Sack hat.“ Das sind deutliche Worte von Gerlinde Becker. Trotz ernstem Thema holt sie die Lammkoteletts aus der Einkaufstasche und versucht zum Kochen überzugehen. „Um auf die Frage zurückzukommen: Der Buchkunde hat es in der Hand, er entscheidet über eine Zukunft mit oder ohne Buchläden in den Städten.“ Claudia Götz-Walk fügt an: „Echte Lese-Strolche kaufen ihre Bücher in den Buchhandlungen.“ Dabei wäscht und schneidet sie die Tomaten. Hand in Hand arbeitet das literarische Strolch-Koch-Duett am MK-Herd. Zwischendurch immer wieder gegenseitige Bewunderungsäußerungen über die geschmackvolle „Strolche-am-Herd-Schürze“. Übrigens: Die Strolchartikel aus dem „Lauterbacher designbüro“ gibt es auch in beiden Buchläden „Das Buch“ und „Lesezeichen“. Der Verdacht liegt nah, dass Eigennutz hinter der Bewerbung steckt. „Wir sind Strolch! Und wer sich zu Lauterbach bekennt, hier lebt und arbeitet, der sollte sich als Teil dieser Strolchenstadt verstehen. Also, war für den MK zu kochen unsere Pflicht!“ Schön, dass Gerlinde Becker das so sieht. Beide Frauen haben spät mit dem Kochen angefangen.

Zu Hause kocht Claudia Götz-Walk nach der Devise: schnell und gesund. Deswegen kommen Nudeln, Suppen und Wokgerichte oft auf den Tisch. Spinatlasagne ist ihr Lieblingsgericht. Gerlinde Becker liebt Germknödel. In aller Ruhe speisen, das können beide nur zu Hause, denn Buchhändlerinnen haben ein Nahrungsaufnahmeproblem. Essen ist was für zwischendurch, in Höchstgeschwindigkeit und meist ist die Speise kalt geworden, weil der Kunde „König“ die Aufmerksamkeit beansprucht. Die vielen Fernsehköche haben das Kochbuch noch populärer werden lassen. Wie Alfons Schuhbeck, der sogar ein Sexgewürz auf den Markt brachte. „Leider fehlt die Zeit zum Nachkochen“, führt Claudia Götz-Walk schmunzelnd an. Das Rezept für den MK ist ohne aphrodisierende Gewürze, stammt aus dem Buch „Bei den Brunettis zu Gast“ von Donna Leone (US-amerikanische Schriftstellerin, die seit 1981 in Venedig lebt.), also kein typisches Kochbuch. Auf Seite 206 stehen die Lammkoteletts in Tomatensoße. Untypisch für Italien ist der dazu gereichte Basmatireis. Laut Aufruf sollte das Rezept von einer Reise stammen. „Buchhändlerinnen sind ständig in ihren Bücherwelten auf Reisen“, klärt Gerlinde Becker die Situation. Stimmt - die imaginäre Venedigreise überzeugt das MK-Team, als das Ergebnis angerichtet wird. Die nach Thymian duftende Tomatensoße umschmeichelt zartes Lammfleisch. Die Gabel nähert sich Ute Kirsts Mund. Es herrscht absolutes Schweigen. Das Schweigen der Lammkoteletts – so der literarische Titel, der dem Moment am nächsten kommt. Alle Augen sind auf die MK-Vorkosterin gerichtet. „Hhhhhmmmmmm! Hhhhhmmmmmm! Hhhhhmmmmmms!“ – was mit der höchsten Punktzahl auf der Biolek’schen Bewertungsskala gleichzusetzen ist. Lammkoteletts zart wie aus Meisterhand. Meisterhaft auch die Tomatensoße, die mit feinen Kräutern das Fleisch adelte. Als hätte ein Profi seine Hand im Spiel gehabt. Was man aus Büchern alles lernen kann.

 

Gerhard Otterbein

 

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